„WO NICHTS IST, DA WOLLEN WIR ETWAS SCHAFFEN.“ DIANA TÜNGERTHAL IM PORTRÄT

Kiefern, Sand, eine gerade Straße. Immer wieder die Sichtachse auf die Kühltürme des Boxberger Kraftwerks. Wer falsch abbiegt, landet an der Tagebaukante. Symbolträchtig liegen sie da: Riesige Wunden, von Abraumbaggern in die Landschaft gerissen, lassen ahnen, wie eng das Schicksal der Menschen hier mit dem Braunkohleabbau verwoben ist. Wenige hundert Meter Luftlinie entfernt wartet ein künstlich geschaffenes Parkidyll aus Findlingen, Hügeln, Steingärten, Wegen und Wasserläufen.

Hier im Findlingspark Nochten bin ich mit Diana Tüngerthal verabredet. Sie trifft sich mit Preisträgern des vom Landkreis ausgelobten Innovationspreises Tourismus. Bei Kaffee und Kuchen berichten diese von ihren Erfolgen und Ideen. Schließlich wird vor der Kulisse eines an Stonehenge erinnernden Steinhügels feierlich das „Innovationsbäumchen“ – eine pontische Eiche – angegossen.

Die Sonne strahlt über blühenden Heidesträuchern. Das passt zur Stimmung und zum Thema: Mich interessiert, was Diana zur Lebenswirklichkeit junger, qualifizierter Frauen im Landkreis – speziell zu ihrer eigenen – zu sagen hat.

„Ich lebe wirklich gern hier.“

Dieser Satz fällt nicht nur einmal. Diana wiederholt ihn mit Nachdruck, so als sei sie schon daran gewöhnt, dass man ihr das nicht glaubt. Was hat diese Region einer jungen Frau zu bieten, die voller Energie und Pläne steckt, in ihrem früheren Leben in der rastlosen Veranstaltungsbranche Berlins und als Frontfrau einer Band unterwegs war? Sie selbst fasst es so zusammen: „Das kommt darauf an, was man will und womit man sich zufrieden fühlt.“

Der Liebe wegen sei sie hergekommen, der Liebe wegen geblieben und inzwischen sei die Oberlausitz zu ihrer „Heimat des Herzens“ geworden. Wenn sie Besuch aus ihrer alten Heimat bekommt, werde sie oft darauf angesprochen, in was für einer tollen Gegend sie lebe. Das liege nicht nur an der schönen Landschaft, sondern vor allem an den Menschen, die morgens beim Bäcker noch auf einen Schwatz miteinander stehen blieben.

Diana lebt mit ihrer Familie in einem Dorf im Norden des Landkreises. Für sie sei es ideal, ihren Sohn in einem ländlichen Umfeld mit städtischer Anbindung aufwachsen zu sehen. Ihr war das hektische Leben in der Großstadt oft zu viel. Sich ständig zwischen all den Optionen auf Konzerte, Events und Ausstellungen zu entscheiden, sei anstrengend gewesen. Hier habe sie gelernt, „das Wenige, was da ist“ zu schätzen und auch ganz bewusst zu nutzen.

„Wir sind nicht nur alleine. Wir werden immer mehr.“

Was die Region bietet ist Raum, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Es lässt sich hier ebenso auf einem eigenen Grundstück leben, wie es möglich ist, mit Gleichgesinnten Neues zu schaffen. Diana versteht sich als Macherin. Sie sei, genau wie ihr Lebenspartner und ihr Umfeld „nicht so erpicht darauf, nur zu konsumieren“. Um alte Freunde wieder zu sehen, organisiert sie auch mal eben ein Konzert. Sie sagt, sie sei nicht die Einzige, der es so gehe. Immer mehr junge Menschen, vor allem Familien kämen in die Region (zurück), weil sie sich hier wohl fühlten.

„Es gibt hier noch jede Menge kreative Frauen, die einander suchen und entdeckt werden können.“

Diana gerät ins Schwärmen, wenn sie davon erzählt, welche Qualität von Gemeinschaft sie hier erlebe. Sie habe hier noch nie das Gefühl gehabt, allein da zu stehen. Familiär und beruflich gut eingebunden, trifft sich außerdem regelmäßig mit anderen jungen Frauen, die sie „unsere Landmädelstruppe“ nennt. Diese informellen Treffen deckten vom Weihnachtskranzbasteln bis zur Diskussion von KiTa-Konzepten alles Mögliche ab. Vor allem aber dienten sie dem Austausch und der Selbstvergewisserung. Auch Visionen werden gesponnen mit reichlich Potenzial für neue „kreative Nischen“ auf dem Land. Sie sei jedes Mal inspiriert davon, „wie viel Input dabei rum kommt“ und ist überzeugt: „Es gibt hier noch jede Menge kreative Frauen, die einander suchen und entdeckt werden können.“

„Lasst wieder Leben in eure Dorfgemeinschafthäuser einziehen.“

Förderprogramme unterschiedlichster Art hätten dazu geführt, dass vielerorts bereits eine gute Infrastruktur vorhanden sei. Neu ausgebaute Dorfgemeinschaftshäuser, die allesamt mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hätten, sollten ihrer Meinung nach geöffnet werden für ein neues Publikum und neue Ideen. Die Chance, junge Menschen wieder einzubinden, liege darin, sich von angestaubten Heimatforschungsvereinen zu Initiativen des dörflichen Gemeinschaftslebens zu entwickeln.

Zur persönlichen Lebensqualität zählt für Diana ganz klar der Job, den sie hier gefunden hat:

„Ich bin froh, nach Jahren da angekommen zu sein, was ich wirklich machen wollte.“

In der konzeptionellen und strategischen Tourismusarbeit zu landen, sei nach dem Studium (Tourismus und Management) ihr Masterplan gewesen, erzählt sie. Sie liebe ihren Job und schätze die Vielfalt der Aufgaben, die Kontakte mit Unternehmen, die gute Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die Wertschätzung durch Vorgesetzte.

Es ist augenscheinlich: In ihrem Beruf kommt vieles zusammen, was sie auch als Person ausmacht. Exzessives Netzwerken, Potenziale erkennen, wo andere nur Defizite sehen und eine große Portion Gestaltungswillen.

Auf meine Frage, was sie anderen Frauen rät, die neu in der Region sind, meint sie, es wäre jeder Frau zu wünschen, auf eine andere Frau zu treffen, die sie als Lotsin in die Region und in bestehende Netzwerke einführen könne. Sie selbst praktiziert das fleißig und versichert: „Ich stehe gern als Ansprechpartnerin zur Verfügung.“

Wer Fragen an Diana Tüngerthal hat, erreicht sie hier: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

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