Der Film und die Lausitz - ein Interview mit Cosima Stracke-Nawka

Eva Maas im Gespräch mit Cosima Stracke-Nawka 

Wer an die Region Lausitz denkt, sieht sicher nicht als erstes das Bild einer florierenden Filmlandschaft vor sich. Doch das sollte sich schnell ändern!

Denn tatsächlich kann die Lausitz mit zahlreichen Möglichkeiten für Filmschaffende locken. Einerseits durch die diverse Landschaft, die als Filmkulisse dient, andererseits durch die einschlägigen Filmveranstaltungen wie das FilmFestival Cottbus (8. bis 31. Dezember 2021) und das Neiße Filmfestival (18. - 23. Mai 2021), die eine ideale Infrastruktur bieten, um Filme erstmals einem Publikum zugänglich zu machen. Und schließlich mit dem wohl wichtigsten filmischen Zusammenschluss der Lausitz: Łužycafilm, das Sorbisch-Deutsche Filmnetzwerk, das sich nicht nur der Förderung der Region als Filmstandort und deren Filmemacher*innen verschrieben hat, sondern auch eine ausführliche Filmografie mit Spielfilmen, Dokumentation und Kurzfilmen führt. Einer der neuesten Filme, „Gundermann Revier“ (2019) von Grit Lemke, wurde bereits im F wie Kraft Journal vorgestellt.

Ein großer Teil der Netzwerkmitglieder sind weiblich – darunter Schauspielerinnen, Regisseurinnen, Autorinnen, Schnittkünstlerinnen oder Medienpädagoginnen um nur einige Tätigkeiten zu nennen. 19 weibliche Mitglieder hat das Netzwerk, weiterhin sieben Unterstützerinnen und – das ist nicht zu verachten – drei der vier Sprecher*innen sind weiblich. Cosima Stracke- Nawka ist eine dieser Netzwerksprecherinnen.

Stracke Nawka 2

Frau Stracke-Nawka, wie Sind Sie zur Arbeit mit Film gekommen?

C. S.-N.: Ich habe Theaterwissenschaften studiert und dann nach dem Studium am Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen gearbeitet. Nach der Wende bin ich zur Sächsischen Landesmedienanstalt nach Dresden gegangen und konnte deren Aufbauphase miterleben. Dort hatte ich – genau wie am Theater – die Möglichkeit, alles von der Pike auf zu lernen, viele Leute kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Dann wurde ich gefragt, ob ich für die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft für den Freistaat Sachsen arbeiten würde – meine erste Begegnung mit Film. Ich habe erst mal ja gesagt, ohne zu wissen, was es damit auf sich hat. Dort war ich mit vielen Anderen dafür zuständig, Film hinsichtlich ihrer Wirkung auf Kinder und Jugendliche zu bewerten. Das hat mir aber nicht ausgereicht, sodass ich Jugendschutztage veranstaltet und versucht habe Projekte zu entwickeln – unter anderem mit den SAEK[1], die damals im Entstehen waren. Parallel wurde ich gefragt, ob ich in der MDM[2] arbeiten will. Das ist die Einrichtung der drei Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, bei der es um die Förderung hochprofessioneller Filmprojekte geht. Insofern hat sich der Kreis geschlossen, von der Filmwirkung zur Filmförderung. Nebenbei haben sich noch diverse Jurytätigkeiten aufgetan, zunächst im Kinderfilmbereich. Und vor sechs Jahren ist dann im Rahmen des Cottbuser Filmfestivals das Deutsch-Sorbische Filmnetzwerk entstanden, von dem ich jetzt auch eine Sprecherin bin.

Sie sind eine von drei weiblichen Sprecher*innen von  Łužycafilm. Wie sehen Sie denn die Rolle der Frauen in der Lausitzer Filmlandschaft?

C.S.-N.: Ohne Frauen gäbe es das ganze Netzwerk nicht. Das ist der unglaublich engagierten Leistung der Sylke Laubenstein-Polenz und der Grit Lemke aus dem Niederlausitzer Bereich zu verdanken. Die dritte im Bunde ist Ola Staszel, als Leiterin des Neiße Filmfestival. Wir haben uns vorher schon gekannt, haben uns in die Augen geschaut und gesagt: da müssen wir dranbleiben! Jede versucht das Netzwerk in ihrem Bereich am Laufen zu halten: die eine tritt, die andere fragt, die andere zieht. Ich wünsche mir jedoch, dass mehr publik gemacht würde, welche Kraft und welches Durchhaltevermögen dahintersteckt. Ola Staszel zum Beispiel muss ein Festival organisieren, Kinder erziehen und dann noch das Netzwerk mit tragen. Frauen sehen da eher einen Sinn dahinter, Männer muss man manchmal ein bisschen mitziehen.

Wie kann man denn die Frauen des Netzwerks und weibliche Filmemacherinnen und Filminteressierte in der Lausitz weiter fördern?

C.S.-N.: Das ist ja ein Ziel des Netzwerks: wir versuchen, Plattformen zu finden. Durch die Coronazeit ist es natürlich naheliegend, Filme, die von Frauen gemacht wurden, ins Netz zu stellen. Eine unserer nächsten Aufgaben ist es, in Kinos in der Region zwischen Görlitz und Cottbus speziell Angebote mit Frauenfilmen zu schaffen. Man sollte darauf hinwirken, dass auch große Kinoketten ihr Angebot breiter machen und den Frauen zutrauen, dass sie in der Lage sind, sich anspruchsvolle Filme anzuschauen. Man sollte das Angebot nutzen, Filme aufs Land zu bringen, wenn es wieder geht und Frauenzentren mit einbeziehen. Und natürlich ist es wichtig, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, insbesondere für Frauen, die den Filmberuf ergreifen wollen.

Ein großer Teil ist natürlich die Vernetzung und die bringt das Filmnetzwerk ja schon mit sich...

C.S.-N.: Dass wir alle voneinander wissen und wir uns gegenseitig informieren, ist ja nicht ohne Weiteres. Wir haben in der Region interessante Frauen, die nicht nur als Regisseurin arbeiten sondern als Cutterin, Dramaturgin oder Schauspielerin. Damit diese auch bei einem Film mitarbeiten können, muss man Rahmenbedingungen schaffen. Und für angemessene Bezahlung sorgen. Wenn man Förderung beantragt ist es wichtig, keine kleine Summe zu beantragen, nur damit man das Geld kriegt. Vor allem die Frauen müssen das Selbstbewusstsein haben, zu sagen: Mindestlohn ist mindestens zu zahlen! Das ist im Filmbereich leider noch nicht durchgesetzt.

Welches Potential hat die Lausitz als Filmlandschaft für Sie?

C.S.-N.: Die Lausitz hat für mich ein unglaubliches Potential. Es ist ein unverbrauchtes Territorium mit vielen interessanten Geschichten - gerade durch die Einbettung sowohl in Nieder- und Oberlausitz und im Dreiländereck mit Polen und Tschechien, wo es Vertreibungsgeschichten gegeben hat. Weiterhin haben wir Görlitz als Filmstadt. Es ist wichtig, dass wir uns alle vernetzen und ein starkes Angebot aufbauen, in dem wir qualifizierte Arbeitskräfte anbieten können: Produktionsassistenzen, Kameraassistenzen, Beleuchter, Techniker. Genau dafür ist die Filmakademie in Görlitz in Gründung, bei der es nicht darum geht, eine Filmschule zu schaffen, sondern Leuten, die durch den Kohleausstieg ihre Arbeit verlieren werden, neue berufliche Möglichkeiten zu bieten. Damit wir als Filmlandschaft nicht nur attraktiv, sondern auch konkurrenzfähig sind.

Es scheint also, als wäre die Lausitz filmisch gesehen auf dem richtigen Weg! 

 

[1]     Sächsischer Ausbildungs- und Erprobungskanal

[2]     Mitteldeutsche Medienförderung

Foto: http://luzyca-film.de/

Ein weiteres engagiertes Netzwerkmitglied von Łužycafilm ist Sophie Ziesch. Das Interview mit Sophie findet Ihr demnächst in unserem Journal.

 

Cosima Stracke-Nawka...

... ist über das Netzwerk Łužycafilm (http://luzyca-film.de/) erreichar.

Eva Maas...

...wuchs in Bautzen auf, studierte in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaften im Bachelor und im Master World Heritage Studies an der Technischen Universität Cottbus. Neben und nach dem Studium arbeitete sie für diverse Filmfestivals, z.B. interfilm Berlin und die Berlinale. Im Moment lebt sie in Leipzig und arbeitet als Projektmanagerin bei den Digital Impact Labs.

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