Als Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Sozialwissenschaften an der Hochschule Zittau/Görlitz berate ich regelmäßig junge Frauen, die ihr Familienleben mit dem Student*innenleben vereinbaren müssen. Der große Frauenanteil unter den Beratungssuchenden liegt natürlich an der sozialwissenschaftlichen Ausrichtung der Studiengänge. Aber wie sieht es in den anderen Fakultäten aus? Beraten hier meine Kolleginnen an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und -ingenieurwesen ebenfalls zu Vereinbarkeitsthemen? Die schlichte Antwortet lautet: Nein.
Je geringer die Anzahl der Studentinnen desto geringer die Nachfrage in der Beratung zu Familienthemen. Klingt logisch? Auf den zweiten Blick nicht. Der Großteil der Beratungssuchenden lebt das heteronormative Beziehungsmodell – es gibt also Mütter und Väter und letztere sind eingebunden oder zumindest greifbar. Die Erwartung, dass der Vater des Kindes frühzeitig Anstrengungen unternimmt, um die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie abzuklären, erfährt in meinen Beratungsgesprächen allerdings eine frühe Ernüchterung. Die Mehrheit der Mütter fühlt sich allzuständig und zieht die Väter maximal dann heran, wenn es um die Eingewöhnung des Kindes in die Kinderkrippe geht. Es ist das erste Jahr, welches die Mütter mit ihren Kindern zuhause verbringen und dafür auf die Beendigung des Studiums in der Regelstudienzeit verzichten.
Viele argumentieren an dieser Stelle sehr schnell mit der Mutter-Kind-Bindung und der unerlässlichen Prämisse des Stillens. Nicht selten wird den Frauen Egoismus vorgeworfen, wenn sie sich gegen das klassische erste Mutter-Kind-Jahr entscheiden, um Studium oder Beruf nachzugehen. Diese Argumentationslogik scheint sich bei den Frauen manifestiert zu haben. Wenn ich beispielsweise in der Beratung dafür plädiere, das Studium nicht zu unterbrechen, weil ich die Quote jener kenne, die nicht zu Ende studieren, wenn einmal unterbrochen wurde, dann wird das von den werdenden Müttern meist vehement abgelehnt. Es kommt der Fakt hinzu, dass der Mann oft der finanzstärkere Part in der Familie ist und sich aus Einkommensgründen für die Variante „Frau zuhause, Mann im Büro“ entschieden wird. Später im Berufsleben fällt dann häufig die Entscheidung, dass sich die Frau in Teilzeit anstellen lässt, um die Kinderbetreuung abdecken zu können. Nach dieser Entscheidung ist die nächste, hin zu dem antiquierten Ehegattensplitting (Steuerklasse III vs. V), nicht weit.
Woher ich das weiß? Als Gleichstellungsbeauftragte bin ich qua Funktion bei jedem Vorstellungsgespräch und bei jedem Berufungsverfahren dabei. Auf Teilzeitstellen bewerben sich primär Frauen, die kleine Kinder haben. Auf Vollzeitstellen und Professuren bewerben sich vorrangig Männer – trotz des sozialwissenschaftlichen Profils der Fakultät. Diese haben teilweise ebenfalls kleine Kinder, aber einen entscheidenden Vorteil: Sie führen ihre Frauen als Vereinbarkeitsstrategie an. Frauen argumentieren mit ihren Männern weitaus weniger.
Eine Neuordnung der Geschlechterrollen erlebe ich aus meiner Perspektive nicht. Auch vermisse ich „die neuen Väter“, von denen alle sprechen. Wenn damit die Zwei-Monats-Väter in der Elternzeit gemeint sein sollen, verliert die flotte Begrifflichkeit an Aussagekraft. Ich spreche mich dafür aus, dass (werdende) Mütter ganz bewusst darüber nachdenken, ob sie ihr Studium oder ihre Erwerbstätigkeit für längere Zeit zugunsten der Elternschaft unterbrechen. Dabei geht es mir nicht darum, neoliberalistische Tendenzen zu unterstützen, sondern um eine Gleichberechtigung in der Kinderbetreuung. Den Frauen ist häufig nicht bewusst, dass es sich um den Beginn einer „Pflegekarriere“ handelt, die sich bei weiteren Kindern fortsetzt und in der Bereitschaft endet, das eigene berufliche Leben zurückzustellen.
Unternehmen und öffentliche Einrichtungen (wie die Hochschule Zittau-Görlitz) sollten hier wachsam sein und Vereinbarkeitsstrategien schaffen, die auch für Väter interessant sind. Aber vor allem sehe ich die Frauen selbst in der Verantwortung, ihre Entscheidungen bewusster zu treffen und nicht aus einem vorauseilenden Gehorsam heraus gesellschaftliche Stereotype zu übernehmen. Also öfter mal sagen: „Du übernimmst jetzt, ich bin an der Uni oder im Büro“. Und das vom ersten Tag an.
Katja Knauthe, M.A.
Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät für Sozialwissenschaften (HSZG)
Promoviert an der TU Dortmund zu Vereinbarkeitsstrategien von Pflege und Beruf
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Fakultät Sozialwissenschaften
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Noch zwei Literaturtipps, die sich mit der angesprochenen Thematik beschäftigen
Domscheit-Berg, Anke (2015). Ein bisschen gleich ist nicht genug. Warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind. Ein Weckruf. München: Wilhelm Heyne Verlag.
Stöcker, Mirja (2007). Das F-Wort. Feminismus ist sexy. Königstein/Taunus: Helmer Verlag.