HEUTE NONNE SEIN – SCHWESTER MARIAE LAETITIA IM PORTRÄT

„Wir sind weiterhin gerufen, positiv in die Welt zu gehen und zu wirken“

Schon immer haben mich Menschen interessiert, die ausgeglichen sind und doch noch suchen. Die in ihrer Einzigartigkeit Tiefe beherbergen. Die nicht dem Zeitgeist entsprechen. Die mit ihrer Klugheit nicht prahlen, sondern diese feinfühlig einsetzen. Sowie diejenigen, die, mit Friedrich Schleiermacher, Sinn und Geschmack für das Unendliche haben, beständig sind, aber nicht statisch. Was für ein Glück, diesen schönen Menschen zu begegnen.

Schwester Mariae Laetitia Klut ist 29, lebt als Nonne im Kloster Marienstern in Panschwitz Kuckau und ist so ein Mensch! Für den Gedankenaustausch mit ihr bin ich sehr dankbar.

Für Besucher und Besucherinnen ist sie meist im Klosterladen oder bei der Produktion von Likören zu finden. Regelmäßig kommen Touristen vorbei und fragen sie mitunter, ob sie echt sei. Für die meisten Leute sind Klöster etwas völlig Unbekanntes, in ihrer Vorstellung vielleicht noch ein Relikt aus dem Mittelalter. Manche bemitleiden die junge Schwester sogar, weil sie meinen, dass eine enttäuschte Liebe sie ins Kloster geführt hätte.

Ich frage mich, wie es wäre, wenn sie wüssten, dass vor ihnen eine studierte Theologin steht, die mit fünf Sprachen umgehen kann. So wie manche Mädchen sich wünschen, Prinzessin zu werden, so hat Schwester Mariae Laetitia sich früher mal vorgestellt, Nonne zu werden, obwohl sie als Kind nie in einem Kloster war. Während jedoch die Prinzessinnenträume meist realistischeren Lebensentwürfen weichen müssen, hat sie sich ihren Wunsch erfüllt.

Aber was ist eine Nonne, was macht sie überhaupt? „Eine Nonne ist eine Frau, die sich für ein intensiveres geistliches Leben als Christ entschieden hat“, erzählt mir Schwester Mariae Laetitia. Und führt aus: „Es gibt ja verschiedene christliche Lebensformen. Eine davon ist dieses Leben als Nonne: in Gemeinschaft, ehelos, besitzlos, lebenslang. Das bedeutet eine lebenslange Hingabe, aber auch einen Prozess des lebenslangen Lernens. Nonnen verpflichten sich besonders dem Gebet. Nicht nur für sich, für alle Menschen, auch stellvertretend für diejenigen, die nicht beten können oder wollen; Gott loben, danken, bitten“.

Die Gebetszeiten takten den Alltag im Kloster: 4:30 Uhr beginnt das erste Gebet, 6:00 Uhr das Morgengebet, im Anschluss die Heilige Messe, dann wird gefrühstückt. Danach arbeitet jede Schwester im eigenen Arbeitsbereich. Dann wieder das gemeinsame Gebet. Als Mittelpunkt des Alltags ist das Gebet die Möglichkeit, immer mit Gott in Kontakt zu bleiben. Schweigen und Stille sind ebenfalls wichtige Elemente im kontemplativen Klosterleben. Im Unterschied zur Entdeckung Gottes in der Aktion, in der Nächstenliebe, ist die Kontemplation „die Versenkung ins Göttliche hinein“. Still sein, um Gott hören zu können.

Gute Regeln können uns auch gut formen“

„Ja“, sagt Schwester Mariae Laetitia, „auch die Beziehung zu Gott ist gelegentlich mit Ängsten behaftet: Die Angst vor dem Verlust der Leidenschaft, die Angst, nicht genug für die Beziehung getan zu haben. So wie auch eine Ehe im Sand verlaufen kann, weil die Liebe nicht gepflegt wurde.“ Deswegen gibt es im Kloster Lebensregeln, die helfen sollen, im Alltag konkrete Schritte zu gehen, damit die Liebe wachsen kann. Die Zisterzienserinnen von St. Marienstern leben nach der Regel des heiligen Benedikt. Schwester Mariae Laetitia ist starren Regeln gegenüber skeptisch, aber „gute Regeln können uns auch gut formen. Der heilige Benedikt schreibt in seiner Lebensregel: Der Weg kann am Anfang nicht anders sein als eng, aber wo die Liebe wächst, da wird das Herz weit“. Dieses innere Wachstum ist wichtig, nicht die sture Befolgung der Regeln, auch nicht die Bewahrung äußerlicher Formen. Metaphorisch gesprochengeht es nicht darum, eine leere Schachtel aufzubewahren. Nicht die Asche zu hüten, sondern das Feuer lebendig zu halten. Das gilt im Kleinen für die Schwestern im Kloster, aber auch für die Kirche im Großen und Ganzen.

„Dort, wo Dinge wegfallen, haben wir die Chance, das Wesentliche zu verwirklichen“

Die Entchristianisierung der Gesellschaft, der Bedeutungsverlust der großen Kirchen, der Wegfall der Traditionen, all diese Problemfelder der Kirche als Institution bieten auch die Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, meint Schwester Mariae Laetitia. „Wir müssen überlegen, worum es uns eigentlich geht. Wenn wir zum Beispiel den Priestermangel bedauern: Geht es uns dann wirklich darum, Menschen in Beziehung mit Christus zu bringen oder darum, gewohnte Strukturen zu erhalten? Dort, wo Dinge wegfallen, haben wir die Chance, das Wesentliche zu verwirklichen“.

Kritik solle als etwas Wertvolles angenommen werden. Schließlich seien „Christen nicht besser als andere und auch nicht näher dran an Gott“. Doch was ist dann der Mehrwert vom Christsein, warum lohnt es sich, als Christ zu leben?

Wer an Gott glaubt und die Botschaft Jesu annimmt, der hat einen neuen Blick auf die Welt. Sein Zugang zur Wirklichkeit ist ein ganz anderer, weil den Christen ein Weg gewiesen ist. Dieser Weg steht auf dem Boden der Tradition mit einer großen Auswahl an Formen, die sich bewährt haben. Auf diesen tragenden Grund können Christen sich stellen und ihr Leben gestalten, davon ist die Schwester überzeugt.

„Den Menschen hier fehlt Gott nicht“

„Wir sind weiterhin gerufen, positiv in die Welt zu gehen und zu wirken“, denn sowohl das Gute als auch das Böse zögen ihre Kreise. Der einzelne Mensch trage viel bei zum großen Ganzen. Deshalb bekennt Schwester Mariae Laetitia: “Wenn Gott mich glücklich macht, dann muss ich es auch zeigen“.

Die Provokation, sein Leben anders zu leben, im biblischen Sinne der Sauerteig der Gesellschaft zu sein, Gott ins Spiel zu bringen, ist mitunter schwierig: Auf ihre Entscheidung, im Kloster zu leben, reagierten manche ungefähr so: „Wenn Du damit glücklich bist, dann ist es okay.“ Was nach Toleranz klingt, nahm Schwester Mariae Laetitia als Gleichgültigkeit wahr: Es ist mir egal, woran du glaubst, es ist gleichgültig, ob du an etwas glaubst, irrelevant, woran du dein Leben ausrichtest. Genau das ist Schwester Mariae Laetitia aber nicht egal. Besonders, wenn sie auf das Zusammenleben in unserer Gesellschaft schaut. Und trotzdem „kann man jemandem nicht einreden, dass ihm was fehlt. Den Menschen hier fehlt Gott nicht! Natürlich wünsche ich allen eine gute Gottesbeziehung. Nicht zum Nutzen der Kirche, sondern ihnen selbst zum Heil. Denn ich erfahre, dass das glücklich macht“.

Sînziana Schönfelder stieß im Sommer 2017 zu dem Projekt „Geschlechtersensible Willkommenskultur im Landkreis Görlitz“ und unterstützte es durch ihr Netzwerk der Slow-Food-Bewegung. Sie entwickelte Formate zur Berücksichtigung von Frauen mit besonderem Blick auf Landwirtinnen im Landkreis Görlitz.  Hieraus entstand der Film Land leben. Land lieben, den sie gemeinsam mit René Beder produzierte. Mittlerweile erforscht sie für das TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau-Görlitz Religionssensible Integrationskulturen in Ostsachsen – und bleibt F wie Kraft als Autorin von Portraits erhalten.

Image